Metformin-assoziierte Laktatazidosen

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) berichtet heute über eine Zunahme von Spontanberichten über Metformin-assoziierte Laktatazidosen in ihrer Datenbank zu unerwünschten Wirkungen.

Konkret heißt es, dass „wegen zahlreicher Vorteile Metformin als orales Antidiabetikum der ersten Wahl in der Behandlung des Typ-2-Diabetes empfohlen wird, wenn nichtmedikamentöse Maßnahmen nicht ausreichen. Entsprechend nehmen die Verordnungen von Metformin kontinuierlich zu. Dabei ist in den letzten Jahren ein besonders deutlicher Anstieg bei älteren Patienten festzustellen (Verdoppelung der Verordnungen bei den über 80-Jährigen zwischen 2005 und 2010).

Gleichzeitig beobachtet die AkdÄ eine Zunahme der Spontanberichte über Laktatazidosen im Zusammenhang mit Metformin, möglicherweise als Folge der breiteren Anwendung bei älteren Patienten, bei denen häufig eine eingeschränkte Nierenfunktion besteht. Unter den Meldungen sind auch Fälle mit tödlichem Ausgang. Eine Bewertung der Fallberichte legt nahe, dass sich vor allem bei älteren Patienten diese lebensbedrohliche unerwünschte Wirkung entwickeln kann, wenn sich z. B. aufgrund einer akuten Gastroenteritis die Nierenfunktion rasch verschlechtert“.

Die AkdÄ weist auf eine Metaanalyse in der Cochrane Library hin, die kein erhöhtes Risiko für eine Laktatazidose bei Anwendung von Metformin bestätigt hat (Metformin-assoziierte Laktatazidosen maximal fünf Fälle pro 100.000 Patienten pro Jahr). Die Untersuchung erlaube jedoch wegen fehlender, individueller Daten zur Nierenfunktion und einer unzureichenden Anzahl alter Menschen in den erfassten Studien keine validen Aussagen zum Risiko bei eingeschränkter Nierenfunktion oder bei Patienten in hohem Lebensalter. Die Originalarbeit aus der Cochrane Library 2020 liegt dieser Nachricht bei.

Bereits Anfang 2012 hat das arzneitelegramm auf dieses Problem hingewiesen (der Originaltext liegt ebenfalls bei). Dort wird die Häufigkeit von Laktatazidosen 3/100.000 Patientenjahre und eine Letalität von ca. 50% angegeben.

Kontraindikationen für die Anwendung von Metformin sind u.a.

  • Nierenversagen
  • akute Zustände, die zu einer Beeinträchtigung der Nierenfunktion führen können (z. B. Dehydratation, schwere Infektionen, Schock),
  • kardiale oder respiratorische Insuffizienz,
  • frischer Myokardinfarkt,
  • Leberinsuffizienz und
  • Alkoholismus.

Die in der deutschen Fachinformation gelistete Kontraindikation einer Kreatinin-Clearance < 60 ml/min ist umstritten, da sich in verschiedenen Untersuchungen - trotz Nichtbeachtung von Kontraindikationen - kein erhöhtes Laktatazidoserisiko gezeigt hat. Die Empfehlungen weichen von denen in anderen Ländern ab (Großbritannien Dosisprüfung ab < 45 ml/min, Absetzen bei < 30 ml/min; ähnlich in Kanada und Australien).

Die AkdÄ empfiehlt:

  • Regelmäßige Überprüfung der Nierenfunktionswerte besonders bei älteren und/oder multimorbiden Patienten.
  • Bei normaler Nierenfunktion Kontrolle mindestens einmal pro Jahr.
  • Bei Nierenfunktion (GFR) an der unteren Grenze des Normbereiches sowie bei älteren Patienten Kontrolle mindestens zwei- bis viermal jährlich.
  • Anweisung an Patienten (und ggf. Pflegepersonal), bei akuten Erkrankungen, besonders bei erhöhtem Risiko einer Exsikkose oder bei gastrointestinalen Symptomen: Metformin zunächst nicht weiter einnehmen; Arzt unterrichten.
  • Laktatazidose in Differenzialdiagnose einbeziehen, wenn es unter Therapie zu einer Verschlechterung des Allgemeinzustands oder zu Symptomen wie Übelkeit, Bauchschmerzen, Tachykardie, Hypotension, Tachypnoe oder Verwirrtheit kommt.

Den kompletten Text der AkdÄ-Verlautbarung können Sie hier einsehen.

Herzliche Grüße
Michael M. Kochen

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