Auf Spurensuche – Erinnerungsprojekt „Das leere Sprechzimmer“ beim DEGAM-Kongress in Würzburg

23. September 2024

Ein leeres Sprechzimmer, verwaiste Räume, keine Untersuchungen, keine Behandlungen, keine Gespräche: Mit dem gleichnamigen Erinnerungsprojekt gedenkt die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) seit 2020 der jüdischen und aus anderen Gründen verfolgten Ärztinnen und Ärzten, die während des Nationalsozialismus aus ihren Praxen gedrängt, schikaniert und getötet wurden. Seitdem hat „Das leere Sprechzimmer“ auf den jährlichen DEGAM-Kongressen mit einem eigenen Raum und begleitenden Veranstaltungen seinen festen Platz. Darüber hinaus sind im Rahmen des Projektes bis heute zahlreiche Film- und Audioaufnahmen entstanden.

„Wir wollten mit unserem Projekt Formen finden, um den Opfern eine Stimme zu geben, um von ihren Lebenswegen und ihrem weiteren Schicksal zu erzählen“, erklärt Dr. Sandra Blumenthal, Präsidiumsmitglied in der DEGAM, die das Projekt initiiert hat. „Aus dem Projekt leitet sich für uns als medizinische Fachgesellschaft aber auch die Verantwortung ab, uns selbstkritisch zu fragen, ob unsere Sprechzimmer wirklich immer und überall für alle offen sind – unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion und sozialem Hintergrund“, kommentiert DEGAM-Präsident Prof. Martin Scherer.

Biografische Spurensuche in Würzburg

Für das „Leere Sprechzimmer“ gibt es jedes Jahr einen anderen Schwerpunkt. Beim 59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (26. bis 28. September 2024 in Würzburg) ist das die Zusammenarbeit mit Studierenden der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU): Im Sommersemester 2024 haben sich Medizinstudierende im Wahlpflichtfach „Reflective Practitioner“ intensiv mit Opfern und Tätern, die in Würzburg und Umgebung gelebt und gearbeitet haben, beschäftigt.

„Für die Studierenden weist der Blick in die Vergangenheit gleichzeitig auch immer in die Zukunft, weil sie sich mit wichtigen Fragen zum ärztlichen Selbstverständnis auseinandersetzen: Was bedeutet es, ein guter Arzt, eine gute Ärztin zu sein?“, erklärt Prof. Anne Simmenroth, eine der beiden Kongresspräsidentinnen. Co-Kongresspräsidentin Prof. Ildikó Gágyor ergänzt: „Erinnerungsarbeit und ethische Reflexion können ein wertvoller Beitrag in der Lehre sein – idealerweise als dynamischer und auch kreativer Prozess. Dementsprechend haben wir die Studierenden ermutigt, hier auch eigene Wege der Erinnerung zu gehen.“

Das Seminar wurde in enger Kooperation zwischen dem Institut für Allgemeinmedizin der Universität Würzburg, dem Institut für Geschichte der Medizin sowie dem Johanna-Stahl-Zentrum entwickelt und auch filmisch begleitet. Der Film wird beim DEGAM-Kongress in Würzburg erstmalig gezeigt.

Symposium beim Kongress

Darüber hinaus werden Inhalte und Ergebnisse des Seminars „Reflective Practitioner“ am ersten Kongresstag im Rahmen des Symposiums „Das leere Sprechzimmer – in der Lehre. Ein besonderes Wahlpflichtfach“ diskutiert, um Möglichkeiten und Herausforderungen zur Implementierung von Erinnerungsarbeit in der Lehre auszuloten. Eines der Grußworte übernimmt Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Weiterführende Informationen zum Projekt „Das leere Sprechzimmer“ gibt es online.

Symposium: Ort und Zeit

„Das leere Sprechzimmer – in der Lehre. Ein besonderes Wahlpflichtfach“:
26. September 2024, 16.30 bis 18 Uhr, Hörsaal 162, Universität Würzburg

Informationen zum Kongress

Presse-Akkreditierungen bitte online.
Alle Infos zum Kongress gibt es online.

Pressekontakt:
Natascha Hövener, Pressesprecherin
Telefon: 030 – 20 966 98 16
E-Mail: hoevener@degam.de

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)
Schumannstraße 9, 10117 Berlin
Präsident: Prof. Dr. med. Martin Scherer (Hamburg)
www.degam.de

Über die DEGAM

Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) ist eine wissenschaftliche Fachgesellschaft. Ihre zentrale Aufgabe ist es, die Allgemeinmedizin als anerkannte wissenschaftliche Disziplin zu fördern und sie als Rückgrat der Patientenversorgung weiterzuentwickeln. Die DEGAM ist Ansprechpartnerin bei allen Fragen zur wissenschaftlichen Entwicklung der Allgemeinmedizin an den Hochschulen, zur Fort- und Weiterbildung sowie zum Qualitätsmanagement. Sie erarbeitet eigene wissenschaftlich fundierte Leitlinien für die hausärztliche Praxis und beteiligt sich auch an interdisziplinären Leitlinien anderer Fachgesellschaften. Die Aktivitäten der Nachwuchsförderung werden überwiegend von der Deutschen Stiftung für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DESAM) realisiert.

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