Erinnerungsprojekt "Das leere Sprechzimmer"

Bild eines leeren Raums zum Projekt Das leere Sprechzimmer

Mit dem „leeren Sprechzimmer“ hat die DEGAM 2020 einen Erinnerungsort geschaffen, um der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken, die als jüdische Ärztinnen und Ärzte verdrängt, verfolgt und ermordet wurden. Jedes Jahr widmet sich das Projekt im Rahmen des DEGAM-Kongresses mit Workshops und einem eigenen Ausstellungsraum einem anderen Schwerpunkt.

„Wir wollten mit unserem Projekt Formen finden, um den Opfern eine Stimme zu geben, um von ihren Lebenswegen zu erzählen, auch von ihrer Verzweiflung, nicht mehr als Ärztinnen und Ärzte praktizieren zu dürfen“, erklärt Dr. med. Sandra Blumenthal, Sektionssprecherin Fortbildung und Präsidiumsmitglied in der DEGAM, die das Projekt entwickelt hat und seitdem federführend betreut.

Bild: TITANFILM / Berlin

2020: Wie alles begann

2020 hat die DEGAM „Das leere Sprechzimmer“ als Gedenkort, Dauer- und Wanderausstellung für die Opfer des Nationalsozialismus ins Leben gerufen. „Auf unserem jährlichen DEGAM-Kongress erinnern wir mit diesem Ort der Leere an die Menschen, die aus hausärztlichen Sprechzimmern vertrieben, verdrängt und jene, die anschließend in den Konzentrationslagern oder in den Tötungsanstalten der sogenannten ‚Euthanasie‘ ermordet wurden“, sagt Dr. Sandra Blumenthal, Sprecherin der DEGAM-Sektion Forschung, die das Projekt initiiert hat und federführend betreut. Für das "leere Sprechzimmer" wird in jedem Jahr beim DEGAM-Jahreskongresses ein anderer Schwerpunkt zur Erinnerungsarbeit gesetzt.

2021: Neue Audio- und Videoformate

Den Auftakt machte in Lübeck 2021 (55. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin) ein Filmprojekt, das vom Institut für Allgemeinmedizin an der Charité in Zusammenarbeit mit der DEGAM realisiert wurde und das "leere Sprechzimmer" in sechs Kurzfilmen thematisiert.

Video

Video Nr. 1: Das Tagebuch der Hertha Narthoff

Video Nr. 2: Das Projekt "Das leere Sprechzimmer"

Video Nr. 3: Entzug der Kassenzulassung

Video Nr. 4: Auf Veranlassung eines "Kollegen"

Video Nr. 5: "Zur ärztlichen Behandlung ausschließlich von Juden berechtigt"

Video Nr. 6: Exil und Tod

Audio

Die Ärzte Zeitung hat dem Projekt am 20. September 2021 eine eigene Podcast-Folge "Nie wieder dürfen unsere Sprechzimmer verschlossen sein!" aus der Reihe "Ärzte Tag"-Podcast gewidmet.

2022: Schwerpunkt "Führerschule der deutschen Ärzteschaft"

Beim Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin im September 2022 in Greifswald lag der Schwerpunkt beim „leeren Sprechzimmer“ auf der nahe gelegenen ehemaligen „Führerschule der Deutschen Ärzteschaft“ in Alt Rehse.

Nach der Geschichte der Opfer stand damit ein „Täterort“ im Zentrum: Wie und auf welche Weise wurden die Verbrechen in deutschen Sprechzimmern überhaupt erst möglich? Wo und auf welche Weise fand die ideologische Beeinflussung von praktischen Ärztinnen und Ärzten statt?

Zu diesen Fragen gab es beim DEGAM-Kongress in Greifswald in der Ausstellung verschiedene Audioformate sowie im Kongressprogramm Symposien und Workshops. Weitere Infos gibt es in der Pressemitteilung vom 15. September 2023: Das "leere Sprechzimmer" auf dem DEGAM-Kongress

Die Ärzte Zeitung hat am 22. September 2022 mit einem Doppel-Interview mit Dr. Sandra Blumenthal und Dr. Thomas Maibaum auführlich über das "leere Sprechzimmer" und die Bezüge zu Alt Rehse berichtet: Hier geht's zum Artikel „Das leere Sprechzimmer“ erinnert an eine „Zeit, die auch Ärzte in schrecklicher Weise mitgeprägt haben“

2023: Das leere Sprechzimmer - keine Stunde null

Nachdem 2020 und 2021 bereits ein Zyklus von sechs Erinnerungsfilmen zur Verfolgung und Entrechtung jüdischer praktischer Ärztinnen und Ärzte entstanden ist, haben DEGAM und das Institut für Allgemeinmedizin, Charité - Universitätsmedizin Berlin, 2023 drei weitere Kurzfilme unter der Perspektive der transgenerationalen Erfahrung des Holocaust entwickelt. Diese Filme werden beim DEGAM-Jahreskongress vom 28. bis 30. September 2023 in Berlin erstmalig vorgestellt.

In einem begleitenden Symposium werden beim Kongress insbesondere transgenerationale Erfahrungen und Perspektiven ausgelotet. Im Zentrum des Symposiums stehen Aspekte der Gegenwart, die die klassische Erinnerungsarbeit erweitern. So hat die Mehrheit der heute in Deutschland lebenden Juden eher einen postsowjetischen Hintergrund und keine familiären oder Traditionsverbindungen zu Juden und jüdischen Ärzt:innen der Vorkriegszeit. Was bedeutet diese gekappte Kontinuität für Leben, Arbeiten und Erinnerungsarbeit heute? Diesen und weiteren Fragen zum Erinnern über Generationen hinweg geht das Symposium nach.