Kongressbericht 2012
Bericht über die Aktivitäten und Planungen der AG Psychosomatik auf dem Jahreskongress der DEGAM Rostock 2012
Insgesamt kann die AG Psychosomatik auf einen erfolgreichen Jahreskongress blicken. Sowohl die Pre-conference war mit 25 Teilnehmern gut besucht als auch der Workshop zur Gesprächsführung bei nicht-spezifischen Körperbeschwerden mit 80 Teilnehmern. Auch der Workshop der Hamlet-Gruppe war gut besucht. Es haben sich neue Interessenten für die verschiedenen Arbeitsgebiete gefunden.
Die Arbeit als Netzwerk, in dem Verschiedene für verschiedene Themen und Projekten sich austauschen und zusammenarbeiten mit dem Ziel, Beziehungsorientierung in der Medizin weiter zu verankern, wurde bestätigt.
Zu Beginn der Pre-conference wurden von mir einige theoretische Positionen aufgegriffen, die mit der „Beziehungsorientierung“ verbunden sind. Als was betrachten wir den Patienten, als Text, als Objekt, das der interpretierenden Deutung durch den Arzt bedarf? Bildet der Begriff der personenzentrierten Medizin unser Anliegen ab?
Kommunikative Kompetenzen, begriffen als Wissen um Gesprächstechniken, sind nicht ausreichend. Wir benötigen eine interaktionelle Kompetenz, die die gegenseitige Beeinflussung von Arzt und Patient sieht und deshalb eine selbstreflexive Haltung des Arztes beinhaltet. In den Zukunftspositionen ist die Bedeutung der Arzt-Patient-Beziehung als zentrales Thema benannt. Änderungsvorschläge, die von unserer AG ausgingen wurden in der endgültigen Fassung berücksichtigt. So heißt es jetzt in der verabschiedeten Zukunftsposition, dass „die Arzt-Patient-Beziehung ein wesentliches Werkzeug für Diagnostik und Therapie ist“ (Position 10), zu den zu vermittelnden Kompetenzen im Studium wurde die „interaktionelle Kompetenz“ zusätzlich aufgenommen (Position 16), dass“ die Abwägung von Nutzen und Schaden in der Diagnostik bzw. Therapie der Berücksichtigung eines interpersonellen Geschehens“ bedarf (Position 8) dass die Rahmenbedingungen der hausärztlichen Versorgung beinhalten, „auch in hausärztlichen Zusammenschlüssen eine personale, individuelle Zuordnung zwischen einem persönlich verantwortlichen Arzt und einem individuellen Patienten zu ermöglichen“ (Position 4).
In der Position 7 ist die salutogenetische Aufgabe des Hausarztes ausdrücklich erwähnt. „Hausärzte achten besonders darauf, wie Gesunde gesund bleiben und Kranke wieder gesund werden können.“
Bisher nicht erwähnt ist die Kompetenz zur Selbstreflexion. Nach Wunsch der Mitgliederversammlung und Vorstand sollen die Zukunftspositionen weiter diskutiert werden. Es wäre unsererseits sinnvoll, sich daran zu beteiligen. Möglich wäre zum Beispiel ein mehr der Theorie Diskussion gewidmeter Workshop der nächsten Jahreskonferenz, in dem es um die Zukunftspositionen ginge, soweit sie die Implikationen der Arzt-Patient-Beziehung beinhalten. Ich würde mir zu diesem Vorschlag Rückmeldungen wünschen.
Ausdrücklich möchte einen kritischen Beitrag erwähnen, der auf die Bedeutung der Sprache und Wortwahl hingewiesen hat, die nicht eine andere Denkmethode in der AG ausschließen sollte.
Auf der Pre-conference wurden die bisherigen Arbeitsgebiete und die Ergebnisse dargestellt, die weitere Arbeit konzipiert und für den kommenden Kongress eine neue Pre-conference vereinbart.
Arbeit am Kompetenzbasierten Curriculum der Weiterbildung
Iris Böhmer entwickelte in ihrem Vortrag, dass wir ein longitudinales Ausbildungskonzept vom 1. Semester bis zum Ende der Weiterbildung zum Facharzt benötigen, dass auf die Arzt-Patient Beziehung fokussiert und die Selbstreflektion als professionelle Kompetenz und Haltung etabliert. Die wesentliche Kritik am kompetenzbasierten Weiterbildungscurriculum besteht darin, dass die Arzt-Patient Kommunikation sehr reduziert als add-on zu den anderen Kompetenzen angefügt und nicht als ein integraler Bestandteil des gesamten ärztlichen Handelns dargestellt wird. (Ihre Vortragsfolien und Zusammenfassung im Anhang) Überlegt werden muss, welche didaktischen Methoden geeignet sind, die Haltung der Selbstreflektion zu trainieren. Um das bisherige Weiterbildungs-Curriculum, das sich derzeit in einem zweijährigen Praxistest befindet, zu verändern, daran sollte weitergearbeitet werden und auch Themen der universitären Ausbildung aufgegriffen werden. Ansprechpartner und Koordinator ist Iris Böhmer. Alle Interessierten sind dazu eingeladen, an diesem Thema per E-Mail gemeinsam weiterzuarbeiten und sich auszutauschen auch mit der Gruppe um Steinhäuser, die das Curriculum bisher entwickelt haben.
Im Bericht von M. Herrmann und in der Debatte über die Leitlinie zu den Nicht-spezifischen Körperbeschwerden wurde herausgestellt, dass es ihr großes Verdienst ist, die Arzt-Patient Beziehung als wichtigste und oft einzig nötige Therapie herauszustellen. Kritisch betrachtet wurde die normative Wirkung von Leitlinien, die einen erheblichen Anteil hausärztlicher Tätigkeit gestalten. In unserem Workshop zur Gesprächsführung bei Nicht-spezifischen Körperbeschwerden wurde ein Vorschlag unterbreitet, wie in einem mehrschrittigen Vorgehen die Betreuung von Patienten in Anwendung der Leitlinie praktikabel wird. Ein Praxistest wäre sinnvoll. Bisher ist nicht absehbar, wer ihn durchführen könnte. Der Workshop zur Gesprächsführung bei den Nicht-spezifischen Körperbeschwerden beschränkte sich nicht darauf, die Leitlinie wiederzugeben, sondern entwickelte lebendig , wie sich Beziehungsorientierung in der hausärztlichen Praxis darstellen kann und traf auf Resonanz. Die Berücksichtigung dysfunktionaler Beziehungsmuster (I.Veit), die Kommunikationstechniken des Bilanzierungsdialoges (O.Bahrs) und die salotugenetische Orientierung (T.Petzold) sind nicht nur Kompetenzen im Umgang mit den unspezifischen Körperbeschwerden, sondern dienen dem Umgang mit allen Beratungsanlässen der hausärztlichen Versorgung. Dies wurde in der Debatte des Workshops herausgestellt. Eindrücklich dargestellt wurde auch, welch geringe Evidenz es für verbale Interventionen und Haltungen für die hausärztliche Gesprächsführung existieren (U.Schwantes). Sie spiegeln den Mangel an Forschung auf diesem Gebiet wieder. Man beforscht, was man finden will. Daher schlage ich vor, dass am Thema „Gesprächsführung“ weitergearbeitet wird. Die Vorträge aller Beteiligten bieten dafür eine gute Grundlage. Sie sind im Anhang angefügt. Hier kann auch eine Brücke geschlagen werden zu weiterer Leitlinienarbeit. Da die Degam eine solche für die Gesprächsführung erstellen will und eine eigene S1- Leitlinie zum Umgang mit Depression in der hausärztlichen Praxis entwickelt werden soll, ist hier ein breites Arbeits- und Diskussionsfeld. Zunächst sollten aber die mehrstufigen Prozessabläufe in der Versorgung der Patienten mit unspezifischen Beschwerden bearbeitet werden. Im Anhang finden Sie das Stufenkonzept mit der Bitte, dieses zu kommentieren vor dem Hintergrund Ihrer Erfahrungen. Ansprechpartner und Koordinator dieses Themas: Iris Veit
Markus Hermann stellte Positionen zur fachbezogenen Psychotherapie für die Allgemeinmedizin dar, welches ihre Inhalte sein können und wie eine dazu passende Weiterbildung aussehen sollte. Fachbezogene Psychotherapie durch den Hausarzt soll die Versorgungslücke zwischen psychosomatischer Grundversorgung und Richtlinienpsychotherapie schließen. Die Position von Hermann und Veit wird demnächst in der ZFA veröffentlicht. Konträr dazu wurde die Berechtigung einer fachbezogenen Psychotherapie bestritten, weil jeder Hausarzt diese Aufgabe der fachbezogenen Psychotherapie leisten können müsse. Es konnte nicht diskutiert werden, was diese Position für Auswirkungen auf das Weiterbildungscurriculum hätte. Die Forderung von Hermann/Veit ist, den allgemeinmedizinisch bestimmten Weiterbildungsteil zur fachbezogenen Psychotherapie eigenständig zu erstellen und diesen auch seitens der Allgemeinmedizin anzubieten. Auch hier sollte es einen Austausch über die Inhalte einer solchen curricularen, passgenauen Weiterbildung geben, ihre Indikationen und Rahmenbedingungen; dies schließt die Debatte über die oben genannten Differenzen ein. Alle, die sich an diesem Thematik beteiligen wollen, sollen sich an Markus Herrmann wenden.
Vera Kalitzkus und Gernot Rüter aus der Hamletgruppe legten das Modell des Mikroszenenprotokolls dar. Es hat sich bislang als geeignet erwiesen, die Komplexität hausärztlichen Handeln im Hinblick auf seine emotionale Arbeit und im Hinblick auf seine interpersonelle Kompetenz darzustellen. Das Mikroszenenprotokoll kann ein gutes Instrument zur Selbstreflektion sein und genutzt werden, diese Kompetenz bei den gegenseitigen Hospitationen, aber auch in der Aus- und Weiterbildung zu entwickeln. Für die Mitarbeit in der Hamlet-Gruppe ist Gernot Rüter der Ansprechpartner. Das nächste Treffen der Gruppe: 2.und 3. 11. in Kassel. Bezüglich der Inhalte des Mikroszenenprotokolls sei auf die Veröffentlichung von G. Volck und V. Kalitzkus in der ZfA. verwiesen.
Damit ergeben sich folgende Schwerpunkte:
Weiterbildung Allgemeinmedizin Koordinator: Iris Boehmer saltimba27@hotmail.com
Gesprächsführung in der hausärztlichen Praxis Koordinator: Iris Veit info@irisveit.de
Fachbezogene Psychotherapie Koordinator Markus Herrmann markus.herrmann@med.ovgu.de
Hamletgruppe-Mikroszenen Gernot Rüter rueter@telemed.de
Alle Mitglieder der AG, die Informationen aus der Sicht der Beziehungsmedizin an die AG weitergeben wollen, bitte ich, sich an mich zu wenden.
Vorschläge für die nächste Konferenz der DEGAM wären bislang:
Pre-conference zu unseren Aktivitäten und ihren Ergebnissenorkshop: Gesprächsführung mit chronisch Kranken
- Workshop: Gesprächsführung mit chronisch Kranken
- Workshop zu Zukunftsposition der DEGAM: Was bedeutet für uns Beziehungsorientierung?
Angefügt sei noch, dass A. Schneider/ München eine Untersuchung durchführt, die geeignet ist Selbstreflexion des Arztes zu fördern und diese zu untersuchen, im geplanten Fall seine Unsicherheit. Es wird Ihnen demnächst ein Fragebogen dazu zugesandt, den Sie per mail beantworten können.
Mit dem Wunsch zu weiterhin guter Zusammenarbeit
Iris Veit
Dr. med. Iris Veit
Ärztin für Allgemeinmedizin / Psychotherapie
Bahnhofstraße 204
44629 Herne
Tel.: 02323 24245
Fax: 02323 26318
E-Mail: info@irisveit.de
www.irisveit.de
Info zu meinem Buch Psychosomatische Grundversorgung
Downloads
- Bahrs_Bilanzierungsdialog_bei_unspez_Koerperbeschwerden.pdf (189,2 KiB)
- Intervention_bei_einem_mehrstufigenb_Vorgehen_in_der_hausaerztlichen......pdf (18,6 KiB)
- Iris_Boehmer_Wie_ist_das_Curriculum_der_allgemeinmedizinischen_Weiterbildung.pdf (2,4 MiB)
- M.Herrmann_Die_Neue_Leitlinie_nicht-spezifische___funktionelle_und_somatoforme_Koerperbeschwerden.pdf (561,8 KiB)
- Petzold-Salutogene_Interventionen.pdf (320,7 KiB)
- Schwantes_Evidenzbasierung_der_Empfehlungen_zur_Gespraechsfuehrung.pdf (882,1 KiB)
- Veit_Wie_Beziehungsmuster_den_Verlauf_nicht-spezifischer_Koerperbeschwerden_beeinflussen.pdf (720,4 KiB)
- Zusammenfassung_Vortrag_Iris_Boehmer.pdf (14,6 KiB)
- Bericht vom Deutschen Psychosomatikkongress 2012.pdf (290,7 KiB)
- Bericht vom Jahreskongress 2012 Rostock.pdf (84,0 KiB)
- Jahresbericht 2012 der Arbeitsgruppe Psychosomatik in der Allgemeinmedizin.pdf (293,0 KiB)